Die Kulturingenieure

Die Geschichte der Kulturingenieure Die Geschichte der Kulturingeniere

Die Geschichte der Kulturingenieure beginnt mit einem Aufruhr. Gar nicht soweit von der Realität entfernt, kamen sich mehrere Fuchsfamilien dabei ins Gehege, sich noch vor Einbruch des Winters eine Unterkunft – den sogenannten Fuchsbau – anzulegen. Weil es im Wald ein großes Gedränge der Arten gab, hatte insbesondere der Bau von Fuchsunterkünften ordnungsgemäß zu erfolgen. „Ein zu groß geratener Fuchsbau kann zum Beispiel das Aus für den Wolf bedeuten!“, erklärte der örtliche Förster dem fremden Wanderer, der sich für jedes auch noch so unwichtige Detail im Wald interessierte. „Von einer ordnungsgemäßen Anlage kann nicht die Rede sein“, erklärte er weiter und stieß einen furchtbaren Schrei aus. Daraufhin kam unter dichtem Hügelbewuchs eine 80köpfige Fuchsfamilie zum Vorschein, die der Förster mit „Darf ich vorstellen: die Waldmiliz“ vorstellte und schließlich darum bat, die Täter gründlich zu behandeln. Es kam zu einem Gemetzel, das nur wenige überlebten und das für großen Unmut im Wald sorgte. Als der Förster sah, dass der fremde Wanderer weinte, begriff er, dass die Einrichtung der Miliz ein großer Fehler war. „Wie ist dein Name, Fremder?“, wollte er wissen. Und nachdem der Fremde ihm geantwortet hatte, dass sein Name Tim K sei, begannen die Augen des Försters ebenfalls zu glänzen. „Ich bin wahrscheinlich Kulturingenieur“, fügte der ehemals Fremde hinzu und bedeutete dem Förster, den Wald zu verlassen.

Sieben Jahre vergingen. Der ehemals Fremde machte seine Arbeit gut, bis er an seine Grenzen kam. Ein Streit war im Wald ausgebrochen, dessen Ausmaße so gewaltig waren, dass er allein ihn nicht mehr schlichten konnte. Er rief Alexander L an und bat ihn, seine Sachen zu packen. Seine Flugmaschine würde am nächsten Morgen gehen. Er solle ihm helfen, den furchtbaren Streit zu beenden. Die  Huftiere, Bären und Wölfe waren mit der Kommunistischen Partei aneinander geraten. Die Tiere hatten sich geweigert, den Forderungen der Partei nachzugeben, nach der die Tiere im Zuge der neuen Friedenspolitik ihre Feindbilder ändern sollten. Nicht mehr die Nord-Süd-Terminologie solle Grundlage allen Zorns und Zwistes sein, sondern der angeblich viel tiefere Graben zwischen Ost und West. Die Partei hatte die Tiere dazu aufgefordert, die Grenzen ihrer Reviere neu zu ziehen. Die Grundstücke sollten sich fortan nicht mehr in Nord-Süd-Grundstücke voneinander abgrenzen, sondern in Ost- und West-Grundstücke. Das Problem für die Tiere bestand darin, dass sie so gezwungen waren, ihre Reviere um 90 Grad zu drehen.  Die Kommunistische Partei argumentierte, dass sie in Ost-West-Dingen mehr Erfahrung hätte und ihnen dafür noch reichlich Material zur Verfügung stünde. Die Tiere hielten das für Blödsinn und baten Tim K, die Partei zur Vernunft zu bringen. Die Verhandlungen verliefen zäh und waren sehr aufwendig. Denn nicht nur Tim K und Alexander L wurden dazu eingeflogen. Weiteres Fachpersonal hatte den Auftrag erhalten, sich als Zeugen zur Verfügung zu stellen. Steve F und Max M interpretierten ihre Aufgabe sehr gründlich, die Verhandlung konnte also Jahre dauern. Nachdem die Langeweile für die Streithähne unerträglich wurde, verschwanden zuerst die Tiere und dann die Kommunisten aus dem Wald. Übrig blieben die vier Männer, die in den Geschichtsbüchern der Streitenden über Generationen „Die Kulturingenieure“ genannt wurden.

Da die Kulturingenieure die einzigen waren, die diesen Konflikt wirklich verstanden, waren sie auch die einzigen, die darüber Auskunft geben konnten. Der Streit war derart komplex, dass es nach dem Verschwinden der Tiere und der Kommunisten vor allem darum ging, die Geschichtsschreiber mit einfachen Darstellungen zu versorgen. Sie entwickelten darin wahre Meisterschaft und wurden zu Symbolfiguren einer der wichtigsten Kulturtechniken unserer Zeit: der Komplexitätsreduktion.

Als niemand mehr etwas von dem Konflikt zwischen den Tieren und den Kommunisten wissen wollte und diese Geschichte schließlich auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet war, blieben von der Geschichte, den Kulturingenieuren und der Komplexitätsreduktion logischerweise nur noch die Kulturingenieure und die Komplexitätsreduktion übrig. Die beiden Begriffe verbanden sich zu einem Grundfest, auf dem sie ein Unternehmen gründeten: Die Kulturingenieure.